Terroirfindung durch Sensorik
Kann man Herkunft schmecken?
Autor
Dir. HR Dr. Walter Flak,
Bundesamt für Weinbau, Eisenstadt
Im Rahmen eines laufenden burgenländischen Terroirprojektes wurde versucht, die Typizität und die Herkunft von burgenländischen Weinen durch quantitative Sensorik zu charakterisieren. Stecken dahinter tatsächlich neue Wege und Ansätze zur Terroirbeschreibung?
Die nähere Herkunft eines Weines und das Zusammenspiel der standortbezogenen Einflussgrößen ergeben das vielzitierte Weinterroir, das weltweit auf Fachebene und vor allem im Marketingbereich viel diskutiert und verwendet wird. Dabei muss man vor allem beachten, dass die Definition des Terroirbegriffs oft sehr unterschiedlich ist: Der mediterrane Terroiransatz konzentriert sich schwerpunktmäßig auf den Boden des Weingartens, wobei sowohl geologische wie auch bodenkundliche und chemische Parameter zur Bewertung herangezogen werden. Im Unterschied dazu besteht das angelsächsische Konzept aus zwei Varianten, die beide die Rebsorte in den Vordergrund stellen. Ausschlaggebend für die australische Terroir sicht ist der Konsumentengeschmack. Klima und Weinausbau sind in unterschiedlicher Wertigkeit jedoch wichtige Faktoren bei allen vier Terroir-Ansätzen.
Terroirfindung durch Sensorik
Im Rahmen eines burgenländischen Projektes (siehe: DER WINZER 02/2011) wurde nun ein Ansatz zur Terroirdefinition entwickelt, der ausschließlich auf Sensorik beruht. Als fachliche Grundlage dienen vor allem Ergebnisse aus der Gebietscharakterisierung, die mit Hilfe der quantitativen Sensorik gewonnen wurden.
Folgende grundlegende Aussagenkönnen dabei getroffen werden:
- Das einem Wein zugeschriebene Terroir, also die Verknüpfung seiner näheren Herkunfts- und Weinbaubedingungen mit kostmäßiger Eigenart, muss bei vergleichenden Verkostungen erkennbar sein. Ohne sensorische Besonderheiten reduziert sich der Terroirbegriff auf eine reine Marketingbehauptung.
- Jeder Wein gibt geschmacklich, neben dem Einfluss der Sorte und dem Faktor Mensch, die Summe aller auf ihn einwirkenden, standortbezogenen Parameter, wie beispielsweise das Klima, die Bodenformen und die Geologie, wieder. Eine umfassende Terroirbeschreibung erfolgt daher am effizientesten über das Endprodukt Wein.
- Analytische Daten aus dem Bereich Weinuntersuchung werden mittels geeigneter statistischer Methoden weltweit erfolgreich zur Abgrenzung von Jahrgängen, Sorten oder auch Herkünften eingesetzt. Die zugrunde liegenden Parameter sind kostmäßig in der Regel nicht fassbar (Geschmacksschwelle). Der direkte Zusammenhang mit dem Geschmacksbild eines Weines ist oft nicht gegeben. Demgegenüber erbringt die sensorische Weinanalyse einen nachvollziehbaren Zugang zur geschmacklichen Typizität und damit auch zum Terroir.
Terroir – ein Faktor, viele Einflussgrößen
Die gesamten natürlichen Umgebungseinflüsse, denen die Reben in einem Weingarten ausgesetzt sind, bewirken in Kombination mit Sorteneigenschaften und weinbaulichen Einflüssen eine spezifische Bildung von Weininhaltsstoffen. Unter diesen Komponenten sind naturgemäß auch aromawirksame und geschmacklich relevante Substanzen, die, in Abhängigkeit von den Produktionsbedingungen, ein Kostmuster ergeben, das den Weintyp und damit auch eine bestimmte Herkunft repräsentiert. Dieses spezifische Wein-Kostbild, das dem Koster als Ergebnis durch Geruch, Geschmack etc. zugänglich ist, lässt sich durch Deskriptoren darstellen.
Unter einem sensorischen Deskriptor oder Attribut versteht man eine kostmäßig abgrenzbare und benennbare Geschmacksqualität. Im Regelfall lässt sich ein Deskriptor auf eine oder mehrere konkrete chemische Verbindungen zurückführen. Speziell die Bildung von Aromastoffen in den Trauben hängt von einer Vielzahl von Stoffwechselvorgängen, wie z. B. der Photosynthese (Sonnenlicht) und der Wasseraufnahme, ab. Da diese und viele andere weinbauliche Faktoren sehr stark vom Jahresverlauf beeinflusst werden, unterliegt jeder einzelne Standort (Weingarten) bereits von Natur aus einer mehr oder weniger großen Schwankungsbreite in der Ausformung der Typizität und des Geschmacksbildes der davon geernteten Trauben-Weine.
Quantität schafft Qualität
Das Kostbild eines Weines ergibtsich im Rahmen der Geschmacksschwellen aus diversen Aromaverbindungen und geschmacklichen Grundeinheiten (z. B. Fruchtigkeit, Gehalt). Sämtliche dieser kostmäßig relevanten Weininhaltsstoffe finden sich in allen Weinen, wenn auch in unterschiedlichen Konzentrationen. Es sind die Quantität und das gegenseitige Verhältnis dieser Verbindungen, die das Kostprofil eines Weines und damit auch seine herkunftstypische Eigenart bestimmen. Im Rahmen des burgenländischen Projektes wurde deshalb versucht, den Weingeschmack in „Grundmuster“ (Terms) zu zerlegen und diese mit Hilfe von zuordenbaren Deskriptoren darzustellen. Aufgrund dieser Vorgehensweise können sämtliche Umgebungseinflüsse, die auf den Stoffwechsel der Reben wirken und so zur regionalspezifischen Bildung von Aromasubstanzen beitragen, berücksichtigt werden.
Das Grundmuster des Weins
Eines dieser Grundmuster, in die der Weingeschmack zerlegt werden kann, ist der Term „Frucht“ (TF). Bei diesem Kostfaktor werden sämt liche quantitativ bewertete, frisch-fruchtige Deskriptoren im Verhältnis zu den reifen Frucht-Aromen betrachtet. Natürlich sind hier die diversen Deskriptoren, die die Fruchtaromatik eines Weines beschreiben, bei Weißund Rotwein verschieden.
Ein weiterer Term ist der „Gehalt“ (TG) – ein Kostfaktor, der die Bodentöne (erdig, mineralisch etc.) im Verhältnis zur Extrakt- und Alkoholwirkung beschreibt. Bei den Bodentönen erfasst man die Relation von erdigen Aromen zu mineralisch wirkenden Kosteindrücken. Die Beziehung zwischen diesen beiden geschmacklichen Grundelementen „Frucht und Gehalt“ ergibt den sogenannten „Weinterm“ (WT), ein Faktor, der die Balance zwischen Fruchtigkeit und Extrakt in einem Wein ausdrückt.
Im Zuge der verschiedenen Auswertungen hat sich herausgestellt, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen Weinterm und zahlreichen önologischen und terroirbezogenen Größen gibt. Ein Weinterm von 1 beschreibt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Kostfaktoren Frucht und Gehalt. Größere Werte ergeben sich hingegen dann, wenn viel frische Fruchtigkeit und eine hohe Extraktempfindung in einer Weinprobe zusammentreffen. Im Unterschied dazu zeigt ein Weinterm, der deutlich unter 1 liegt, einen aus qualitativer Sicht ungünstigen Koststatus, bei dem reife und überreife Fruchttöne, jedoch nur wenig Extrakt vorliegen.
Am Beispiel einer Stichprobe von rund 40 burgenländischen Blaufränkisch – und Zweigelt-Weinen ergibt der Weinterm (WT) eine, bezogen auf den Probendurchschnitt, eindeutige Differenzierung zwischen den drei Weinbaugebieten (Abb. 1). Anhand einer weiteren Stichprobe von Blaufränkisch- und Zweigelt-Weinen, die unter völlig identischen Bedingungen (Ernte, Kellertechnik, Ausbau, Lagerung) hergestellt wurden, resultierte ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Größenordnung des Weinterms und verschiedenen zugrundeliegenden Bodentypen (Abb. 2).
Um den Einfluss des Faktors Mensch auf die Verteilung von WT abschätzen zu können, wurde der Vergleich der Bodentypen auch mit Weinen unterschiedlicher Produktion wiederholt. Auch hierbei ergab sich eine spezifische Verbreitung für WT und die jeweilige Bodenform (Abb. 3).
Fazit
Eine grundsätzliche Schwierigkeit und Problematik beim Vergleich von verschiedenen Weingartenböden besteht darin, dass meist keine eindeutige Bodenform für einen Herkunftswein angegeben werden kann. In Einzelfällen finden sich bis zu vier verschiedene Bodentypen in einem einzigen Weingarten. Für den Durchschnitt einer größeren Anzahl von Weinproben ist aber dennoch eine differenzierende
Aussage möglich.
Beispielsweise zeigen die Weine im Mittelburgenland sehr hohe Fruchtund Extraktanteile, weshalb auch das Verhältnis zwischen den beiden Faktoren – der Weinterm – deutlich über jenen der Gebiete Neusiedlersee und Neusiedlersee-Hügelland liegt. Unterschiedliche Auswirkungen auf den Weinterm hat vor allem auch der Boden: Wie man in Abb. 3 erkennt, liefern vor allem Kalk- und Braun – erdeböden Merlot-Trauben, die ein sehr ausgewogenens Verhältnis zwischen Frucht und Extrakt in sich vereinen. Im Unterschied dazu wachsen auf Sandböden sehr fruch tige Weine mit viel Extrakt. Ähnliche Beobach tungen gibt es auch bei Schwarzerde und Lehm/Kalk.
Weitere Untersuchungen mit einem dichteren Netz von Weinherkünften und klar definierten Bodentypen sind vorgesehen.
Quelle: Der Winzer, Ausgabew 04/2011